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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 316

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
316 Iii. Geschichtsbilder. bis zum Abend des nächsten Tages auf die rechte Brusthälfte ausdehnte. Nun trat auch Unbehagen ein, so daß der König am 9. im Bette blieb. Die Schleswig-Holsteinische Angelegenheit be- schäftigte, beunruhigte ihn. Schon am 5. März war Erzherzog Albrecht in München eingetroffen, um eine Einigung des österreichischen Hofes mit dem baye- rischen in der leidigen Frage zu erzielen. Noch am 9. März um 1 Uhr Nach- mittags hatte der Erzherzog eine Unter- redung mit dem Könige: abermals ohne Erfolg. Nach 2 Uhr rief Max den Kabinets-Sekretair, Hofrath v. Pfister- meister, und übertrug ihm eine Sen- dung an den Staatsminister Frhr. v. Schrenk, und bald kehrte ersterer mit der erwünschten Antwort zum Könige zurück. Oesterreich gehe nach so eben eingetroffenen Nachrichten auf die Vor- schläge ein, die es noch vor wenigen Tagen zurück gewiesen. Darauf sprach der König: „Gott Lob, daß ich diese Sache erledigt habe. Für heute genug. Morgen mehr!" Noch an demselben Tage erging an den bayerischen Bundes- tagsgesandten die Weisung, einen An- trag auf Einberufung der holsteinischen Stände am Bundestag zu stellen. Mit schwacher Hand unterzeichnete der König im Bette liegend dieses Schriftstück. Es war seine letzte Unterschrift, seine letzte Regierungshandlung. Die eintretende Königin erschrak beim Anblicke ihres Gemahls; der Leib- arzt erkannte die plötzlich hereingebrochene Gefahr, und andere Aerzte wurden bei- gezogen. Im Theater vernahm die ver- sammelte Menge unmittelbar vor Be- ginn der Vorstellung die Schreckensbot- schaft und schnell verbreitete sich dieselbe durch die ganze Stadt. Alsbald füllten sich die Vorzimmer des Königs mit Per- sonen aus allen Ständen, die da ängst- lich einer tröstenden Nachricht harrten. Um Mitternacht schien eine günstige Wendung der Krankheit einzutreten, doch bald schwand alle Hoffnung, und um 4 Uhr des Morgens am 10. März deutete der Leibarzt dem Köuige die große Gefahr an, in der er schwebe und theilte ihm zugleich mit, daß sein Beichtvater zugegen sei. Mit gefaßtem Muthe vernahm der König, der noch keine besonderen Schmerzen, sondern nur eine große Schwäche fühlte, die ver- hängnißvollen Worte und sprach: „Jst's so weit? Nun unser Herr Gott wird es schon recht machen mit mir. Ich habe immer das Beste gewollt!" Dann blieb er mit seinem Beichtvater einige Zeit allein und empfing die hl. Sterb- sakramente. Darauf kamen die beiden Prinzen; die Königin, welche ihn wäh- rend der ganzen Nacht kaum auf Augen- blicke verlassen hatte, hielt seine Hand in der ihrigen. Auf sie war der letzte Blick des sterbenden Königs, an sie sein letztes Wort: „Liebe Marie!" — ge- richtet. Während der Erzbischof tröstende Worte zu ihm sprach, auf die er ein leises Ja! lispelte, entschlummerte er sanft zum Erwachen im bessern Leben. Als der Erzbischof mit Thränen in den Augen in das von Menschen dicht gedrängte Vorzimmer trat und Viele die leise Frage an ihn richteten: Lebt der König? — antwortete er: Ja, er lebt — im Himmel! Der Herr hat uns einen guten König gegeben, der Herr hat uns einen guten König genommen. Gepriesen sei sein Name! Laßt uns beten, daß er uns wieder einen gleich guten gebe---------. Da sanken Alle auf die Kniee und brachen in Schluchzen und Weinen aus. Die ganze Stadt, das ganze Land wurde von der Trauer- kunde auf's tiefste erschüttert, zumal sie der Nachricht von der Erkrankung un- mittelbar gefolgt war. Jeder fühlte, der allgemeine Vater sei gestorben, der alle seine Landeskinder mit gleicher Liebe umfaßt hatte. Ueberall flössen, als die Trauer- glocken läuteten, Thränen der unge- heuchelten Liebe, des innigsten Schmerzes. Zum Leichenbegängniß des Ver- blichenen strömten Theilnehmende aus allen Gegenden Bayerns herbei. Alle Fürsten Deutschlands hatten Vertreter abgeordnet, der Großherzog von Baden aber erwies dem Dahingeschiedenen per- sönlich die letzte Ehre. Von Berchtes- gaden wurde ein Strauß seltener Alpen- blumen gesandt, mit der Bitte, den- selben in den Sarg des hohen Todten zu legen. Schleswig-Holsteins Abge-

2. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 460

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
460 Iii. Auszüge aus dramatischen Dichtungen. Großen Dank! Der Wirth. Ei, Herr Just, ich will doch nicht hoffen, Herr Just! daß Er noch von gestern her böse ist? Wer wird seinen Zorn über Nacht behalten? Just. Ich, und über alle folgende Nächte. Der Wirth. Ist das christlich? Just. Eben so christlich, als einen ehrlichen Mann, der nicht gleich bezahlen kann, aus dem Hause stoßen, auf die Straße werfen. Der Wirth. Pfui, wer könnte so gottlos sein? Just. Ein christlicher Gastwirth. —• Meinen Herrn! so einen Mann! so einen Offizier! Der Wirth. Den hätte ich aus dem Hause gestoßen? auf die Straße geworfen? Dazu habe ich viel zu viel Achtung für einen Offizier, und viel zu viel Mitleid mit einem abge- dankten! Ich habe ihm aus Noth ein ander Zimmer einräumen müssen. •— Denke Er nicht mehr daran, Herr Just. (Er ruft in die Scene:) Holla! — Ich will's auf andere Weise wieder gut machen. (Ein Junge kommt.) Bring' ein Gläschen; Herr Just will ein Gläschen haben, und was Gutes! Just. Mach' Er sich keine Mühe, Herr Wirth. Der Tropfen soll zu Gift werden, den — doch ich will nicht schwören; ich bin noch nüchtern! Der Wirth (zu dem Jungen, der eine Flasche Liqueur und ein Glas bringt). Gib her; geh! — Nun, Herr Just,. was ganz Vortreffliches; stark, lieblich, ge- sund. (Er füllt und reicht ihm zu.) Das kann einen überwachten Magen wieder in Ord- nung bringen! , I u st. Bald dürfte ich nicht! — — Doch warum soll ich meiner Gesundheit seine Grobheit entgelten lassen? — (Er nimmt und trinkt.) Der Wirth. Wohl bekomm's, Herr Just! Just (indem er das Gläschen wieder zurückgibt). Nicht übel! ■— Aber Herr Wirth, Er ist doch ein Grobian! Der Wirth. Nicht doch, nicht doch! — Geschwind noch eins; auf einem Beine ist nicht gut stehen. Just (nachdem er getrunken.) Das muß ich sagen: gut, sehr gut! — Selbst gemacht, Herr Wirth? Der Wirth. Behüte! veritabler Danziger! echter dop- pelter Lachs! I u st. Sieht Er, Herr Wirth, wenn ich heucheln könnte, so würde ich für so was heucheln; aber ich kann nicht; es muß heraus; — Er ist doch ein Grobian, Herr Wirth! Der Wirth. In meinem Leben hat mir das noch Niemand gesagt. — Noch eins, Herr Just, aller guten Dinge sind drei! Just. Meinetwegen! (Er trinkt.) Gut Ding, wahr- lich gut Ding! — Aber auch die Wahr- heit ist gut Ding. — Herr Wirth, Er ist doch ein Grobian. Der Wirth. Wenn ich es wäre, würde ich das wohl so mit anhören? Just. O ja, denn selten hat ein Grobian Galle. Der Wirth. Nicht noch eins, Herr Just? Eine vier- fache Schnur hält desto besser. Just. Nein, zu viel ist zu viel! Und was hilft's Ihm, Herr Wirth? Bis auf den letzten Tropfen in der Flasche würde ich bei meiner Rede bleiben. Pfui, Herr Wirth, so guten Danziger zu haben, und so schlechte Mores! — Einem Manne, wie meinem Herrn, der Jahr und Tag bei ihm gewohnt, von dem Er schon so manchen schönen Thaler ge- zogen hat, der in seinem Leben keinen Heller schuldig geblieben ist; weil er ein paar Monate her nicht prompt bezahlt, weil er nicht mehr so viel aufgehen läßt, — in der Abwesenheit das Zimmer auszuräumen? Der Wirth. Da ich aber das Zimmer nothwendig brauchte, — da ich voraus sah, daß der Herr Major es selbst gutwillig würde geräumt haben, wenn wir nur lauge auf seine Zu- rückkunft hätten warten können? Sollte ich denn so eine fremde Herrschaft wieder von meiner Thür wegfahren lassen! Sollte ich einem andern Wirthe so einen Verdienst muthwillig in den Rachen jagen? Und ich glaube nicht einmal, daß sie sonst wo unter- gekommen wäre. Die Wirthshäuser sind jetzt alle stark besetzt. Sollte eine so junge, liebenswürdige Dame auf der Straße bleiben? Dazu ist sein Herr viel zu galant. Und was verliert er denn dabei? Habe ich ihm nicht ein anderes Zimmer dafür eingeräumt? Just. , Einen Offizier, wie meinen Herrn! Oder meint Er, daß ein abgedankter Offizier nicht auch ein Offizier ist, der Ihm den

3. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 433

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
86. Der Taucher. 433 5. Ich singe, wie der Vogel singt, Der in den Zweigen wohnet; Das Lied, das aus der Kehle dringt Ist Lohn, der reichlich lotinet. Doch, darf ich bitten, bitt ich Eins: Laßt mir den besten Becher Weins In purem Golde reichen."" 6. Er setzt ihn an, er trank ihn aus: „,,O, Trank voll süßer Labe! O, wohl dem hochbeglückten Haus, Wo das ist kleine Gabe! Ergeht's euch wohl, so denkt an mich, Und danket Gott, so warm, als ich Für diesen Trunk euch danke."" 86. Der Bon Friedrich 1. „Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp', Zu tauchen in diesen Schlund? Einen gold'nen Becher werf' ich hinab, Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund. Wer mir den Becher kann wieder zeigen, Er mag ihn behalten, er ist sein eigen." 2. Der König spricht es und wirft von der Höh' Der Klippe, die schroff und steil Hinaushä'ngt in die unendliche See, Den Becher in der Charybde Geheul. „Wer ist der Beherzte, ich frage wieder, Zu tauchen in diese Tiefe nieder?" 3. Und die Ritter, die Knappen um ihn her Vernehmen's und schweigen still, Sehen hinab in das wilde Meer, Und Keiner den Becher gewinnen will. Und der König zum drittenmal wieder fraget: „Ist Keiner, der sich hinunter waget?" 4. Doch Alles noch stumm bleibt wie zuvor — Und ein Edelknabe, sanft und keck, Tritt aus der Knappen zagendem Chor, Und den Gürtel wirst er, den Mantel weg, Und all' die Männer umher und Frauen Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen. 5. Und wie er tritt an des Felsen Hang Und blickt in den Schlund hinab, Die Wasser, die sie hinunter schlang, Die Charybde jetzt brüllend wiedergab, Und, wie mit des fernen Donners Getose, Entstürzen sie schäumend dem finstern Schooße. 6. Und es wallet und siedet und brauset und Zischt, Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt, Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, Und Fluth auf Fluth sich ohn' Ende drängt, Und will sich nimmer erschöpfen und leeren, Als wollte das Meer noch ein Meer gebären. 7. Doch endlich, da legt sich bte wilde Gewalt, Und schwarz aus dem weißen Schaum Klafft hinunter ein gähnender Spalt, Grundlos, als ging's in den Höllenraum, Und reißend sieht man die brandenden Wogen Hinab in den strudelnden Trichter gezogen. 8. Jetzt schnell, eh' die Brandung wiederkehrt, Der Jüngling sich Gott befiehlt, Und — ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört, Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült, Und geheimnißvoll über dem kühnen Schwimmer Schließt sich der Rachen; er zeigt sich nimmer. Marschall, Lesebuch. Taucher. v. Schiller. 9. Und stille wird's über dem Wasserschlund, In der Tiefe nur brauset es hohl, Und bebend hört man von Mund zu Mund: „Hochherziger Jüngling, fahre wohl!" Und hohler und hohler hört man's heulen, Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen. 10. Und wärf'st du die Krone selber hinein Und spräch'st: Wer mir bringet die Krön', Er soll sie tragen und König sein! Mich gelüstete nicht nach dem theuren Lohn. Was die heulende Tiefe da unten verhehle, Das erzählt keine lebende, glückliche Seele. 11. Wohl manches Fahrzeug, vom Strudel gefaßt, Schoß jäh in die Tiefe hinab; Doch zerschmettert nur rangen sich Kiel und Mast Hervor aus dem Alles verschlingenden Grab — Und heller und heller, wie Sturmes Sausen, Hört man's näher und immer näher brausen. 12. Und es wallet und siedet und brauset und zischt, Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt, Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, Und Well' auf Well' sich ohn' Ende drängt, Und wie mit des fernen Donners Getose, Entstürzt es brüllend dem finstern Schooße. 13. Und sieh'! aus dem finster fluthenden Schooß, Da hebet sich's schwanenweiß, Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß, Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß, Und er ist's und hoch in seiner Linken Schwingt er den Becher mit freudigem Winken. — 14. Und athmete lang und athmete tief Und begrüßte das himmlische Licht. Mit Frohlocken es Einer dem Andern rief: „Er lebt! er ist da! es behielt ihn nicht! Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle Hat der Brave gerettet die lebende Seele." 15. Und er kommt, es umringt ihn die ju- belnde Schaar; Zu des Königs Füßen er sinkt, Den Becher reicht er ihm knieend dar, Und der König der lieblichen Tochter winkt, Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande; Und der Jüngling sich also zum König wandte: 16. „Lang lebe der König! Es freue sich, Wer da athmet im rosigen Licht! Da unten aber ist's fürchterlich, Und der Mensch versuche die Götter nicht Und begehre nimmer und nimmer zu schauen, Was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen! 28

4. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 444

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
444 Ii. Epische Dichtungen. 95. Hans Theuerlich.. Von Graf v- Pocci. 1. Mich dünkt es war ganz neuerlich Ein Wirth, der hiess Hans Theuerlich. Sein Braten war nicht Bäuerlich; Sein Wein war etwas säuerlich. Drei Wand’rer traten da herein, Die riefen: „Wirth, nun schenk’ uns ein! Wir wurden müd im Sonnenschein; D’rum gib uns echten, guten Wein!“ 2, Hans Theuerlich lief schlau und fein Zum Keller mit dem Krug von Stein. Dort stand ein Fass mit saurem Wein, Und neben floss der tiefe Rhein. Bedachtsam wie in eine Nuss Zapft er vom Weine mit Verdruss, Lässt dann herein in vollem Schuss Den hochberühmten klaren Fluss. 3. Er bringt den Wein den Gästen dar Und schwört bei seiner Ehr’ fürwahr, Dass Wein so rein, so hell, so klar, Noch nie in einem Fasse war. Die durst’gen Drei, sie freuen sich; Sie danken erst Hans Theuerlich, Und trinken d’rauf ganz feierlich Den Wein so matt und säuerlich. 4. Wohl warfen sie die Becher fort; Doch schwört der Wirth hei seinem Wort: Der Wein sei von der besten Sort’, Ein wahrer echter Niblung,short, Und schenket dann noch einmal ein Den Gästen von dem klaren Wein. Doch sieh! Drei Fischlein, nett und klein, Die hüpfen aus dem Krug herein. 5. Die drehen gar behendiglich Im Becher dort inwendig sich; Es ward darum elendiglich Der Wirth verlacht beständiglich. Sie zahlten ihm den Wein nicht schlecht, Auf dass er stets der Fisch gedacht. Er that’s nicht mehr; doch hör’ ich recht, So ist gar gross des Wirths Geschlecht. 96. Der rechte Barbier. Von Adalbert v. Chamisso. 1. Und soll ich nach Philisterart Mir Kinn und Wange putzen, So will ich meinen langen Bart Den letzten Tag noch nutzen. Ja, ärgerlich wie ich nun bin, Vor meinem Groll, vor meinem Kinn Soll mancher noch erzittern. 2. Holla! Herr Wirth, mein Pferd! macht fort! Ihm wird der Hafer frommen. Habt ihr Barbiere hier im Ort? Laßt gleich den rechten kommen! Waldaus, waldein, — verfluchtes Land! — Ich ritt die Kreuz und Quer und fand Doch nirgends noch den rechten. — 3. Tritt her, Bartputzer, aufgeschaut! Du sollst den Barl mir kratzen; Doch kitzlich sehr ist meine Haut, Ich biete hundert Batzen; Nur, machst du nicht die Sache grrt, Und fließt ein einz'ges Tröpflein Blut, — Fährt dir mein Dolch in's Herze. 4. Das spitze, kalte Eisen sah Man auf dem Tische blitzen, Und dem verwünschten Ding gar nah Auf seinem Schemel sitzen Den grimmigen, schwarzbehaarten Mann Im schwarzen, kurzen Wams, woran Noch schwärz're Troddeln hingen. 5. Dem Meister wird's zu grausig fast, Er will die Messer wetzen, — Er sieht den Dolch, er sieht den Gast, Es packt ihn das Entsetzen. Er zittert wie das Espenlaub; Er macht sich plötzlich aus dem Staub Und sendet den Gesellen. 6. Einhundert Batzen mein Gebot, Falls du die Kunst besitzest; Doch merk' es dir, dich stech' ich todt. So du die Haut mir ritzest. —- Und der Gesell: Den Teufel auch, Das ist des Landes nicht der Brauch. —- Er läuft und schickt den Jungen. 7. Bist du der rechte, kleiner Molch? Frisch auf! fang an zu schaben! Hier ist das Geld, hier ist der Dolch, Das Beides ist zu haben; Und schneidest, — ritzest du mich bloß, So geb' ich dir den Gnadenstoß; Du wärest nicht der Erste. 8. Der Junge denkt der Batzen, druckst Nicht lang' und ruft verwegen: Nur still gesessen, nicht gemuckst! Gott geb' Euch seinen Segen! Er seift ihn ein ganz unverdutzt, Er wetzt, er stutzt, er kratzt, er putzt. — Gottlob, nun seid Ihr fertig! —-

5. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 445

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
97. Der Schneiderjunge von Krippstedt. 98. Das Pferd und das Füllen. 445 9. Nimm, kleiner Knirps, dein Geld nur hin, Du bist ein wahrer Teufel! Kein and'rer mochte den Gewinn, Du hegtest keinen Zweifel; Es kam das Zittern dich nicht an, Und wenn ein Tröpflein Blutes rann, So stach ich dich doch nieder! — 10. Ei! guter Herr, so stand es nicht; Ich hielt Euch an der Kehle; Vergucktet Ihr nur das Gesicht, Und ging der Schnitt mir fehle. So ließ ich Euch dazu nicht Zeit, Entschlossen war ich und bereit. Die Kehl' Euch abzuschneiden. 11. So so! Ein ganz verwünschter Spaß! Dem Herrn ward's unbehaglich; Er würd' auf einmal leichenblaß, Und zitterte nachträglich. So so! das hätt' ich nicht bedacht; Doch hat es Gott noch gut gemacht; Ich will's mir aber merken. 97. Der Schneider junge von Krippstedt. Von August Konisch. Jn Krippstedt wies ein Schneiderjunge Dem Bürgermeister einst die Zunge: Es war im Jahr Eintausend siebenhundert. Der Bürgermeister sehr sich wundert Und find’t es wider den Respect, Wesshalb er in den Thurm ihn steckt. Es war nach der Nachmittagpredigt, Die Kirche noch nicht ganz erledigt, Am heil’gen Trinitatis-Tag: Da geschah auf einmal ein grosser Schlag! Es schlug mit Gedonner im Wettersturm Der Blitz in denselben Sanct Niclasthurm. Der Schreck durchfährt die ganze Stadt, Die kaum sich vom Brand erhoben hat. Was innen ist im Gotteshaus, Das dringt mit aller Gewalt heraus : Was aussen ist, das will hinein ! — Da sieht man auf einmal Flammenschein Von aussen an des Thurmes Spitze: Da rief man: „Feuer! Wasser! Wo ist die Spritze?“ — — Die Spritze, ja, die ist dicht dabei; Doch Kasten und Röhren sind entzwei! — Wie saure Milch läuft Alles zusammen: Man schreit und blickt ans die Feuerflammen. Dazwischen, es war ein böser Tag, — Hallt mancher Donner- und Wetterschlag ! — Nun sammelt sich der Magistrat Und Jeder weiss etwas, nur Keiner weiss Rath! Der Bürgermeister, ein weiser Mann, Sieht sich das Ding bedenklich an Und spricht: Hört mich, wir zwingen’s nicht! Der Thurm brennt nieder wie ein Licht. Es kommt, wer hätte das gedacht sich, Wie anno sechzehnhundertachtzig ! Erst brennt der Thurm, die Kirche, die Stadt sodann; D’rum ist mein Rath: rett’ Jeder, was er kann! — Da laufen die Bürger; mit aller Kraft Ein Jeder das Seine zusammenrafft. Das ist ein Gerenn, wie fliegen die Zöpfe, Wie stossen zusammen die Puderköpfe! Auf einmal — was krappelt dort aus dem Loch Am Thurm?— Der Junge!— Nein! — und doch! Er ist’s, er klettert zu Thurmes Spitze — Der Schlingel! — Er nimmt vom Kopf die Mütze, Er schlägt auf das Feuer und — dass dich der Daus! Er löscht es mit seiner Mütze aus! Er tupft am ganzen Thurm umher, Man sieht nicht eine Flamme mehr! Und während Alle jubelnd schrei’n, Schlüpft er von Neuem in’s Loch hinein. Er scheut des Magistrates Wesen Und sitzt als wär’ gar nichts gewesen. — Das mehrt den Jubel, die Bürger alle Rufen ihm „Vivat!“ mit grossem Schalle; Der Bürgermeister aber spricht, Jndem sein grosser Zorn sich bricht: Holt ihn heraus, ich erzeig’ ihm Ehr’, Und thu’ für ihn zeitlebens mehr! — „Da kommt er ganz russig der Knirps, der Zwerg! Hoch lebe der kleine Liewenberg!“ — Der Bürgermeister sprach : „Komm’ Junge, Streck’ noch einmal heraus die Zunge! Jch leg’ dir lauter Dukaten d’rauf! So, sperr’ den Mund recht angelweit auf! Nur immer mehr heraus gereckt! — Wir haben Alle vor dir Respect, Und morgen wird, dass nichts manquirt, Die grosse Spritze hier probirt Und, was entzwei ist, reparirt!“ 98. Das Pferd Ein Füllen, das den ganzen Tag Auf fetter Weide müssig lag, Beschnaubte nur den Klee mit stolzer Nase, Fand Ekel an dem besten Grase. und das Füllen. Ei. Nicolay. j Zu einem ältern Pferd, das mit zur Weide ging, Sprach es: Weisst du nicht eine Wiese, ! Die bess’re Kräuter hat, als diese ? ■ „Ja wohl, doch weit ist sie.“ — Die Sonne hing

6. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 451

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
103. Ans dem idyllischen Epos: „Louise". 451 103. Aus dem idyllischen Epos: „Louise"^. Von I. H. Boß. Als nun rings im Gesang die krystallenen Klänge melodisch Klingelten, plötzlich erscholl mit schmetterndem Hall vor dem Fenster Geig' und Horn und Trompete zugleich und polternder Brummbaß, Eine Sonat' abrauschend, im Sturz unbändiges, scharfes, Jähes Getöns: als kracht' einschlagender Donner aus blauem Himmel herab, als braust' in den splitternden Wald ein Orkan her. Denn an dem Hofthor hatten die Musiker leise gestimmet, Daß unversehens aufgellte zum Gruß ein beherztes Allegro, Eingeübt, wie freier Erguß tonreicher Empfindung. So wie der Tön' Aufruhr sich empörete, klirrten die Fenster Ringsum, dröhnte die Stub', und summt im Klaviere der Nachklang. Jen' um den Tisch frohlockten vor Lust, und alle noch einmal Klingten sie: „Hoch, hoch lebe der Bräutigam! lebe die Braut, hoch! Jauchzend umher in den Klang der Krystall', und der Töne Gerassel; Doch vor allen der Vater und sein lantbrummendes Kelchglas Jubelten, mehr aufregend den Sturm glückwünschenden Zurufs. Jetzo redetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau: Ja, Gott fegn' euch, Kinder, in Ewigkeit! Das war ein Glückwunsch! Kräftig und laut aus dem Herzen, der, festlichem Glockengeläut' gleich, Ueber das Dorf hinschallt, wahrhaftiger, als der Kanonen Jubelgetön, wann winkte der Hofmarschall von dem Erker! Das hat Hans mir gemacht, kein anderer! Solcher Erfindung Freut sich der Schalk! Wo ein Fest vorgeht, was Heimliches bringt er Stets mit veränderter List. Mein Töchterchen, klopf' an das Fenster, Daß sie herein doch kommen; sie sind uns liebe Gesellschaft. Jener sprach's; da enteilte das rosenwaugige Mägdlein Fröhlich und klopft' an das Fenster mit Macht; stracks hielten die Männer Mitten im Takt und lauschten, wie hold und freundlich sie einlud: Dank, ihr Herren, für die schöne Musik! Wie gerufen zum Glückwunsch Kamt ihr, Kraft ihm zu geben und Nachdruck. Doch in der Herbstluft Draußen zu steh'n ist hart für ein siebzigjähriges Alter. Kommt doch herein, ihr Herren; ihr seid uns liebe Gesellschaft! Also Louis' unmuthig; und draußen gefiel, was sie sagte, Allen, den Greisen sowohl, wie den Jünglingen. Jetzt mit einander Lobend das schöne Gesicht, den melodischen Laut und den Anstand, Gingen sie und weissagten dem Bräutigam selige Zukunft. Hell schon leuchtet' entgegen das Mütterchen über die Hausflur Aus der geöffneten Stub' und hieß willkommen die Herren Musiker, die mit Geräusch anwandelten. Aber die Männer Traten hinein und grüßten mit mancherlei scharrendem Bückling, Segen und Heil anwünschend dem neuvermähleten Brautpaar. Hans auch folgte zugleich und trug schwerfällig den Brummbaß, Schlau, mit verhaltener Lache, die streifichte Mütz' in der Rechten. Ernsthaft redete jetzt der gemüthliche Vater im Strafton: Hans, du gibst ja den Leuten ein Aergerniß! Voller Verwnnd'rung Werden sie, alt und jung, aus den Wohnungen rennen und fragen: Was für Lärm in dem Hofe des Pfarrherrn? Ist er so weltlich, Daß er den Abend sogar vor dem Hochzeittage die Tochter Fiedelt zu Bett' und trompetet? Wie wird wohl morgen gejubelt, Wann sie im Kranze die Braut mit Musik hinführen zur Trauung! Lauter gewiß, als wann mit klingenden Sensen und Liedern Wir nach der Ernt' hintragen den Kranz, dem Altare zum Festschmuck! Doch gut war es gemeint; ich danke dir. Aber noch mehr euch Sagen wir herzlichen Dank, willkommene Freund' und Gevattern, Euerer Lieb' und Ehre. Wohlan! flugs bringe Susanna 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 ') Dritte Idylle, die Vermählung, Ii. Gesang. 29 *

7. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 6

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
6 I. Erzählungen. heit und dem sonderbaren Begehren des Fremdlings; der Meister erhob bei ihrer Rede erstaunt und unwillig sein Haupt, denn das Roß, das geschlachtet werden sollte, war wegen seiner Schönheit und Schnelligkeit allgemein bekannt, und wie ein Wunderthier durch viele Sagen be- rühmt, wie es seinen Meister oft aus den größten Gefahren gerettet habe. Nach einigem Sinnen aber sprach der Großmeister mit milder Stimme: „Ein Mensch ist mehr werth als tausend Rosse; bringt es dem Kranken und thut damit, was er verlangt, auf daß er genese." Und die Diener führten das edle Thier in den großen Saal, wo die Kranken lagen, vor das Bett des Armen. Einer trug einen großen Block, ein Anderer hatte ein scharfes Beil, ein Dritter einen schweren Hammer; und als sie sich näher- ten, erhob der Kranke sein Haupt, und seine Augen leuchteten vor Freude. Der Block wurde zurecht gestellt. „Welchen Fuß verlangst du?" — „Den rechten Vorderfuß." — Und der Fuß des Thieres wurde auf den Block ausgestreckt, das scharfe Beil darauf gelegt, und schon er- hob der Tritte den schweren Hammer, da rief der Kranke plötzlich: „Halt! Ich habe nun ein anderes Verlangen. Gebt 2. Der Wagnermi Ein kaiserlicher Feldoberst, der zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts mit spanischen Völkern im Württembergischen lag, erhielt den Befehl, sich der Stadt Constanz zu bemächtigen, so gut es gehen wolle. Dieser fing sein Unternehmen mit List an. Zwei Lanzenknechte, die unter den Spaniern der deutschen Sprache mächtig waren, schlichen sich einzeln in Constanz ein. Auf der Gasse treffen sie sich, wie zufällig. Der eine packt den andem wegen einer alten Schuldsumme an, der widerspricht, und durch das Volk, welches zusammenläuft, werden beide vor den Richter gebracht. Hier aber wissen die schlauen Kameraden ihren Streit so einzu- fädeln, daß der Richter seinen Spruch bis zu der Herbeibringung der Beweise vertagt. Unterdeffen nahmen die Kundschafter die Gelegenheit wahr, die Lage und Stärke mir Hammelfleisch zu essen, denn ich habe großen Hunger." Man führte das Roß zum Meister zurück und brachte dem Kranken, was er begehrte; der aß mit großer Begier, und nach zwei Tagen dankte er den Brüdern für die ihm be- wiesene Liebe und verließ das Hospital genesen, wie es schien, von seinem Wahne und seiner Schwäche. Kurze Zeit darauf brachte ein Bote folgendes Schreiben: „Im Namen Gottes, des Allbarm- herzigen, Allgütigen. Saladin an die Ritter des Hospitals! Wisset, ich war bei Euch, um Euch zu versuchen, und ich habe Euch als wahr erprobt, als Söhne dessen, der da Alles geschaffen hat und erhält; Ihr übt Barm- herzigkeit und Liebe nach dem Beispiele und der Lehre Eures Meisters, den auch ich ehre. Darum bestimme ich, daß fort- an, so lange ich weile unter den Leben- den, an Euer Spital alljährlich tausend Goldstücke bezahlt werden, damit Ihr die Armen und Kranken beherberget, kleidet und tränket und gesund machet. Diese Summe soll Euch stets am Feste Jo- hannes des Täufers, Eures Schutzherrn, zukommen und der Krieg soll daran nichts ändern. Allah sei gelobt!" ster von Constanz. der Stadtmauer und was sonst zur Be- festigung gehörte, genugsam auszuspüren. Besonders richteten sie ihr Augenmerk auf die Rheinbrücke. Durch diese war nämlich die Stadt mit ihrem Vorstädt- lein Petershausen auf dem rechten Strom- ufer verbunden und sie schien ihnen der beste Weg, wo man eindringen mußte. Das schwere Fallgatter aber in dem Thurm, welcher den Eingang von der Brücke in die Stadt deckt, hatten die zwei unbeachteten Strolche unbrauchbar zu machen gewußt. Auf einmal waren sie verschwunden, aber Niemand kümmerte sich darum. Da geschah es bald darauf eines Montags früh, als gerade die Bürger ein besonderes Fest feierten und die meisten Leute in der Kirche waren, daß die Spa- nier unbemerkt an die jenseitige Vorstadt

8. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 17

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
10. Das Todtenzimmer. 17 Seine Waare zu empfehlen, meinte der Knabe, sei nicht nöthig, sondern er schaute nur einem von den Umstehenden nach dem andern ins Gesicht und wischte sich mit der Schürze den Schweiß von der Stirne. Als aber der Bischof an- fing, ihn zu fragen, antwortete er mun- ter und sprach: „Ich gehöre dem Sand- weib von Solnhofen, und die Steine habe ich auf dem Berg hinter dem Kloster gemacht. Und wenn Ihr noch mehr braucht, so dürft Ihr mir nur Eure Steinhauer mitgeben, so will ich ihnen zeigen, wie sie es anfangen müssen." Denn der Knabe war Benedikt, unser Ziegenhirtlein. Er hatte nach der Abend- suppe, bei der ihm seine Mutter von der neuen Kirche in Eichstätt erzählte, nicht mehr geschlafen; sondern ein Gedanke, der ihm unter dem Essen gekommen war, trieb ihn durch die Hinterthüre hinaus auf den Berg, wo seine Steine lagen, und von da mit ihnen in der mond- hellen Nacht gen Eichstätt, wohin er den Weg genau kannte von dem Sandhandel her. Seine Mutter erschrack freilich, als sie ihn in aller Frühe wecken wollte und das Nest leer fand. Und sie konnte nicht einmal gehen, ihn zu suchen oder ihm nachzufragen. Denn die Ziegen waren schon alle aus den Ställen gelassen und standen meckernd auf der Gasse oder naschten von den Blumenstöcken vor den Fenstern des Pfarrhauses. Uebel oder wohl, mußte sie thun, als wäre ihr Bene- dikt krank. Sie nahm Geißel und Stecken und trieb das Vieh selbst auf den Berg, wo sie den langen, langen Tag unter ver- geblichem Warten und Sorgen zubrachte. Aber als sie Abends hinter der ge- hörnten Schaar das Dorf hinunter ging, kamen einige Maulthiere herauf ihr ent- gegen. Und auf dem vordersten saß ihr Benedikt hinter einem Knechte des Fürst- bischofs, und zwar so munter, daß die Wittfrau sogleich sah, es müsse ihm den ganzen Tag über nicht schlecht gegan- gen sein. Und so war es auch. Der Bischof hatte sich sogleich für die Pflastersteine des Sandbuben entschieden und die frem- den Steinmetzen in ihre Heimat entlassen, den Knaben aber mit sich in sein Haus genommen, gespeist und ihm versichert, daß er für ihn und seine Mutter sorgen wolle. Dann hatte er ihn mit dem Bau- meister, der das Steinlager untersuchen sollte, nach Solnhofen zurückgehen lassen. Der Bischof hielt Wort. Nachdem Benedikt bei einem Meister Steinmetz in Eichstätt in der Lehre gewesen war, ließ er sich in Solnhofen nieder und hatte fortwährend so viele Bestellungen an Pflaster- und Quadersteinen, daß es ihm und seiner Mutter nie mehr an dem täglichen Brode fehlte. 10. Das Todtenzimmer. Ein Mönch aus dem Predigerorden wanderte durch die Schluchten Calabriens und schleppte, um die vorgeschriebenen Gebete täglich verrichten zu können, sein Brevier mit sich, ein großes, schweres Buch mit hölzernem, messingbeschlagenem Deckel. Spät Abends erreichte er nach mühsamem Wandern eine einsame Wald- schenke, in welcher er zu übernachten ge- dachte. Allein der Wirth gab ihm mit Achselzucken den unangenehmen Bescheid, daß er für diesmal keine Aufnahme fin- den könne, weil eine Gesellschaft von Viehtreibern schon alle Räume des ohne- hin beschränkten Häuschens mit Beschlag belegt habe. Auf die Frage des Mönchs, ob denn gar kein Plätzchen mehr zu Marschall, Lescbuch. haben sei, entgegnete der Wirth, es sei allerdings noch ein Zimmer frei, das sogenannte Todtenzimmer, aber sein Ge- wissen verbiete ihm, es einem Fremden zu überlassen. Der nun neugierig ge- machte Pater drang mit weiteren Fra- gen in den Wirth und erhielt folgende Auskunft: In diesem Zimmer seien schon drei Reisende Morgens todt im Bette gefunden worden, ohne daß auch nur die geringste Spur von Verletzung an den Körpern dieser Opfer wahrzunehmen gewesen. Auch sei weder das Gemach erbrochen, noch von den Effekten der Todten das mindeste entwendet worden, weßhalb man denn vermuthen müsse, daß hier ein böser Geist die Schläfer 2

9. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 18

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
18 I. Erzählungen. hinwürge. Seit der Zeit heiße das Zim- mer „Todtenzimmer" und werde von Jedermann gemieden. Durch diese Auskunft hätte sich wohl mancher sonst heldenmüthige Erdensohn zurückschrecken lassen, denn mit Geistern mag nicht gerne einer zu schaffen haben; allein unser Dominikaner gehörte unter die Leute, die, ein gutes Gewissen im Herzen, selbst vor dem Tode keine Furcht bewei- sen. Erbestand darauf, dieses Gemach zur Schlafstätte zu wählen, und der Wirth gab endlich nach. Der Gast besah sich vorerst das so unheimlich geschilderte Gemach näher und fand ein ganz ge- wöhnliches Stübchen; ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett waren die einzigen Ge- räthe; von Fallthüren oder geheimen Zugängen ilirgends eine Spur; und so- hin legte sich der Mönch ruhig zu Bette. Doch da fiel ihm ein, daß er für heute sein Brevier noch nicht ganz gebetet habe, und er schlug deßhalb ganz gegen seine Gewohnheit im Bette sein Buch auf und wollte noch vor dem Einschlafen seine Gebete vollenden. Allein die Natur war stärker als sein Wille; bald schlief er ein, das Brevier aufgeschlagen vor sich auf der Bettdecke liegen lastend. Kaum graute der Tag, als der Wirth 11. Sck Auf dem Zuge der französischen Armee nach Rußland im Jahre 1812 kam eine Compagnie des 42. Infanterie-Regiments in ein unansehnliches polnisches Dorf zum Quartier. Der Wirth, ein Jude, erhielt einen Sergeanten mit zwölf gemeinen Soldaten. Obwohl durch vorausgegan- gene Einquartierungen schon hart mit- genommen, bot doch der arme Mann Alles auf, um seine ungebetenen Gäste zufrieden zu stellen. Es fehlte ihm aber an Weißbrod. Die Gemeinen ließen sich wohl das bei den Franzosen nicht be- liebte Schwarzbrod gefallen, aber der Führer, ein junger unerfahrener Mensch, wollte sich damit durchaus nicht begnü- gen. „Weißbrod schaff' her, Jude, oder ich sende dich in Abrahams Schooß!" — so schrie er mit donnernder Stimme und warf das ihm vorgelegte Stück Schwarz- die Stiege herauf kam und sich zagend dem verhängnißvollen Zimmer nahte, um nachzusehen, ob auch der diesmalige Gast die Zahl der Todtenopfer vermehrt habe. Aber wie groß war sein Erstaunen und seine Freude! Der Mönch lag frisch und gesund und noch in tiefem Schlafe; sein großes Buch noch vor ihm, aber ge- schlossen. Ein lauter Ausruf des Wirthes weckte den Schläfer, und wie der Soldat beim Erwachen seine Waffe sucht, so griff der fromme Mönch sogleich nach seinem Brevier, dem Wirthe mit heiterer Laune erzählend, daß er einen läßigen Beter beherbergt habe, einen schwachen Krieger Gottes, der seinem Feinde, dem Schlafe, schon beim ersten Angriffe er- legen sei und vor ihm seine Waffe nie- dergelegt habe. Als aber der Mönch sein Brevier aufschlug, da überfiel die- sen, wie den Wirth, ein plötzliches Grau- sen; denn in dem Buche lag zerquetscht, gerade zwischen dem 30. und 90. Psalm, eine jener furchtbaren giftigen Vipern Italiens, die mit einem einzigen Bisse tödten. Es lautet aber die hier so be- deutungsvolle Stelle des Psalms: „Weg- schreiten wirst du über Schlangen und Basilisken; zertreten Löwen und Dra- chen." brod fluchend in eine Ecke des Zimmers. Zitternd schlich der erschrockene Wirth zur Thüre hinaus, um für den Franz- mann Weißbrod ausfindig zu machen, und endlich gelang es ihm, mit vielen Bitten solches zu erlangen. Er brachte es dem Sergeanten, und nun legte sich der Zorn des rauhen Kriegers. Der Wirth holte dann schweigend das weg- geworfene Brod aus dem Winkel hervor, in welchen es geflogen war, und ver- schloß es bedachtsam in einem Wand- schrank, dessen Schlüssel er abzog und in seine weite Rocktasche steckte. Unter schal- lendem Gelächter schaute der Sergeant dem zu. Des andern Tages, als er mit seiner Rotte abzog, sprach er zum Wirthe: „Wenn wir wiederkehren, wird das Brod, welches du gestern verstecktest, wohl ziem- lich hart sein!" — Der Jude lächelte und

10. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 19

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
12. Zwei Fahnenjunker. 19 schwieg. Der Ausgang des Feldzuges nach Rußland ist bekannt. Geschlagen, zerstreut, durch Kälte und Hunger fast aufgerieben, von den nachsetzenden Kosaken auf dem Fuße verfolgt, flohen die Neste der fran- zösischen Armee nach Polen zurück. Es war an einem der kältesten Win- tertage, und unser polnischer Wirth eben damit beschäftigt, das Eis vor seinem Brunnen aufzuhauen, als eine in Lum- pen gehüllte, abgezehrte und vor Kälte fast erstarrte Menschengestalt ans ihn zuwankte. Kaum erkannte der Jude in diesem armseligen Gerippe den vorher so stattlichen Sergeanten wieder, welcher mit wildem Uebermuthe das Schwarzbrod von sich geworfen hatte. Vor Frost zitternd und dem Hungertode nahe, flehte der Un- glückliche demüthig um Aufnahme und Pflege. Der Wirth führte ihn gleich in die Stube, wo schon Stroh auf dem Boden bereit war. O wie erquickte die arme Lagerstätte im warmen Zimmer den vor Kälte fast erstarrten Soldaten! Nur sein leerer Magen wollte sich damit nicht ganz begnügen. Der Wirth, wohl mer- kend, wo es fehle, ging und brachte statt der erwarteten Schüssel nichts als — einen Schlüssel. Mit diesem öffnete er den Wandschrank und langte aus demselben ein Stück kohlschwarzes, stein- hartes Brod hervor. „Freund," sprach er zum Sergeanten, „kennst du dieses Brod? Bis zu deiner Zurückkunft ist es freilich sehr hart geworden; doch ich denke, der Hunger hat gute Zähne!" — „Ja, die hat er," entgegnete der Soldat und griff gierig nach dem steinharten Brode. Schnell hatte er es verzehrt, während der Jude mitleidig zuschaute. Eine Thräne rollte diesem die Wange herab und er rief aus: „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, du bist gerecht und gerecht sind alle deine Gerichte! Sieh' Fremdling, damals als du dieses Stück Schwarzbrod wegwarfst, dachte ich schon, vielleicht kommt die Zeit, wo du gerne deinen Hunger damit stillen möchtest! Und heute ist die verachtete Gabe ein Leckerbissen für dich gewesen." Beschämt schlug der Soldat seine Augen nieder; dann hob er wehmüthig seine Blicke gen Himmel und bat Gott und den Wirth um Verzeihung ob des begangenen Fre- vels. Dieser reichte ihm die Hand, er- quickte ihn mit Speise und Trank, gab ihm noch Lebensmittel auf mehrere Tage mit und zeigte ihm einen sichern Weg, auf welchem er, ohne von den nachsetzen- den Kosaken beunruhigt zu werden, in kürzester Zeit nach Wilna zu seinem Re- gimente gelangen konnte. 12. Zwei Fahnenjunker. Der unheilvolle Tag von Jena und Auerstädt (14. Okt. 1806) war zu Ende. Das preußische Heer war auseiuander- gerissen, zersprengt und zog sich in ein- zelnen Abtheilungen planlos, ohne ein- heitliche Leitung zurück. Noch wäre nichts verloren gewesen, wenn ein Mann es verstanden hätte, die Trümmer des Hee- res mit besonnenem Muthe zusammen zu ziehen; denn diese waren noch stark genug, um dem Feinde dreist die Stirne bieten zu können. Wenige Tage darauf war es schon zu spät. Ohne Widerstand zu leisten, streckten mehrere Corps die Waffen, wie ja ein muthloses Beispiel in der Zeit des Unglücks Tausende mit sich fortreißt, weil Ruhe und Besonnen- heit fehlen. Diesem entmuthigenden Beispiele aber folgte das Regiment Treskow nicht. Die- ses war eines der schönsten und tapfer- sten in der ganzen preußischen Armee. Seit langen Jahren fftand es in dem Rufe der Unerschrockenheit und todes- muthigen Kühnheit. Bei Cröllwitz un- weit Halle stieß es auf eine weit über- legene französische Heeresabtheilung. Sich unbemerkt zurückziehen war unmöglich; außerdem schloß hinter Cröllwitz die Saale jeden weitern Rückzug ab. Der tapfere Commandant faßte den Entschluß, die feindliche Colonne zu durchbrechen; aber auch diesen Entschluß mußte er wieder aufgeben, denn der Feind war zu stark, und überdies das Terrain zu ungünstig. Es blieb nur eine Wahl, Streckung der Waffen oder äußerste Ver- theidigung und Tod. Der Commandant 2*
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